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Wenn Arbeit Liebe ersetzt

eBook - Doppelkarriere-Paare zwischen Anerkennung und Ungleichheit

Erschienen am 10.09.2012, 1. Auflage 2012
24,99 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593418179
Sprache: Deutsch
Umfang: 409 S., 17.69 MB
E-Book
Format: PDF
DRM: Digitales Wasserzeichen

Beschreibung

Frauen wollen sich heute ebenso im Beruf verwirklichen wie Männer und streben nach Karriere und beruflicher Anerkennung. Daraus können neue Konflikte innerhalb der Paarbeziehungen entstehen. Vor allem ist unklar geworden, wofür sich die Partner gegenseitig anerkennen, welche sozialen Ungleichheiten sich zeigen und in welchem Verhältnis Liebe und Leistung stehen.Aufbauend auf Axel Honneths Anerkennungstheorie zeichnet Christine Wimbauer die aktuellen Veränderungen von Paarbeziehungen, Erwerbsarbeit und der sozialstaatlichen Anerkennungsordnung nach. Sie macht dabei deutlich, dass nicht nur die Selbstverwirklichungsversprechen der gegenwärtigen Arbeitswelt zwischen den Geschlechtern ungleich verteilt sind. In letzter Konsequenz kann das berufliche Leistungsstreben auch die Liebe zwischen den Partnern (z)ersetzen.

Autorenportrait

Christine Wimbauer ist Professorin für Soziologie mit Schwerpunkt Soziale Ungleichheit und Geschlecht am Institut für Soziologie der Universität Duisburg-Essen. Von 2008 bis 2010 war sie Nachwuchsgruppenleiterin am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB). Bei Campus erschien 2003 ihr Buch »Geld und Liebe. Zur symbolischen Bedeutung von Geld in Paarbeziehungen«.

Leseprobe

1.Warum Anerkennung?

Anerkennung ist ein zentraler Begriff des vorliegenden Buches. Nach dem hier vertretenen Menschenbild der sozialen conditio humana sind die Einzelnen wesentlich auf intersubjektive Anerkennung angewiesen, da gerade der praktische Bezug auf andere Subjekte und deren positive Bestätigung des eigenen So-Seins zentral sind für die Konstitution von Identität und Subjektivität. Wird bei Adam Smith das Streben nach Anerkennung als eines der zwei menschlichen Grundbedürfnisse bestimmt, so kommt in G.W.F. Hegels (1986) Frühwerk dem "Kampf um Anerkennung" entscheidende Bedeutung für die Entwicklung des praktischen Seins und des sittlichen Gemeinwesens zu. George Herbert Mead (1973) stellt aus sozialpsychologischer Perspektive die Bedeutung intersubjektiver Anerkennung durch andere für die Identitätsbildung heraus. Er fasst symbolisch vermittelte Interaktionen als grundlegende gesellschaftliche Prozesse. Schließlich lieferte Axel Honneth (1992, 2003a,b) die jüngste systematische Theorie der Anerkennung. Unter Rückgriff auf Meads intersubjektivistisches Identitätskonzept und auf Hegels "Kampf um Anerkennung" setzt Honneth sich zum Ziel, eine normativ gehaltvolle Gesellschaftstheorie zu entwickeln. Wenn sich die "Reproduktion des gesellschaftlichen Lebens [] unter dem Imperativ einer reziproken Anerkennung" (Honneth 1992: 148) vollzieht, dann sind "menschliche Subjekte in ihrer Identitätsbildung konstitutiv auf die normative Zustimmung anderer angewiesen [], weil sie sich ihrer praktischen Ansprüche und Zielsetzungen nur anhand der positiven Reaktion eines Gegenübers vergewissern können" (Honneth 1994: 17-18).

Nach Honneths starkem Intersubjektivitätsparadigma sind die Einzelnen also zwingend auf die Anerkennung anderer angewiesen. Honneth (1992) sieht die gesamte Gesellschaft als ein System aus gestaffelten Anerkennungsverhältnissen sowie als "institutionalisierte Anerkennungsordnung" und fasst die gesellschaftliche Entwicklung als Stufenfolge von sozialen Kämpfen um Anerkennung, die durch jeweilige Missachtungserfahrungen der Subjekte ausgelöst werden. Die Erwartung sozialer Anerkennung sei der Form nach anthropologisch festgelegt, die Inhalte der Anerkennung seien jedoch historisch variabel: Sie werden stets durch die normativen Prinzipien geformt, die in einer Gesellschaft die elementaren Strukturen wechselseitiger Anerkennung festlegen (Honneth 2003a: 162-163). Honneth (1992) unterscheidet drei Formen intersubjektiver Anerkennung: Liebe, Recht und soziale Wertschätzung bzw. Leistung (Honneth 2003a) innerhalb der industriell organisierten Arbeitsteilung.

Bei Liebe besteht die idealtypische Anerkennungsweise in der affektiven Bestätigung und emotionalen Zuwendung zu einem konkreten Anderen und dessen besonderer Bedürfnisnatur; die grundlegende Logik ist hier die reziproke Anerkennung des anderen als einzigartiges Subjekt in seinem spezifischen So-Sein. Die idealtypische Anerkennungssphäre ist die Familie bzw. Paar- und soziale Nahbeziehungen. Das Recht folgt einem universalistischen Prinzip, nämlich der generalisierten Achtung aller als autonome und moralisch zurechenbare Rechtspersonen. Rechtsbeziehungen sind die dem Recht zugehörige, idealtypische Anerkennungssphäre. Soziale Wertschätzung dagegen zeichnet sich durch den positiven Bezug auf besondere Eigenschaften und Fähigkeiten der Individuen aus. Welche Inhalte gesellschaftlich geachtet sind, ist nach Honneth historisch variabel; gegenwärtig werde soziale Wertschätzung vor allem für individuelle Leistung im System der industriell organisierten Arbeitsteilung und der Erwerbsarbeit gewährt. Anders als bei der Liebe geht es hier nicht um Anerkennung als autonome und besondere Person, sondern um Anerkennung für spezifische Eigenschaften und Fähigkeiten, insbesondere für Leistung.

Erst alle drei Anerkennungsformen zusammen schaffen die sozialen Bedingungen, unter denen "menschliche Subjekte zu einer positiven Einstellung gegenüber sich selber gelangen können" (Honneth 1992: 271). Honneth verfolgt damit ein identitätstheoretisches Anerkennungsmodell, bei dem erst die Kumulation der drei Anerkennungsformen zu einer gelungenen Identität führen. Nach seiner normativ gehaltvollen Version des Intersubjektivitätsparadigmas sind das Subjekt und dessen personale Autonomie notwendig konstituiert in Verhältnissen intersubjektiver Anerkennung. Grundannahme ist also die Vorgängigkeit intersubjektiver Anerkennung, denn sie ist die Voraussetzung für die Ausbildung individueller, personaler Autonomie (auch Honneth 1994, 2003a,b, 2005, 2011).

In seinem jüngsten Werk - Das Recht der Freiheit - entwickelt Honneth eine Theorie sozialer Gerechtigkeit, in dessen Zentrum die soziale Freiheit steht. Diese ist ebenfalls anerkennungstheoretisch fundiert und differenziert sich in drei institutionelle Sphären der Anerkennung: persönliche Beziehungen, ökonomischer Markt und politische Öffentlichkeit.

2.Axel Honneths Anerkennungstheorie

Das vorliegende Buch schließt an Axel Honneth an, indem es ebenfalls den Anerkennungsbegriff als einheitlichen Theorierahmen konzeptualisiert, Anerkennung als zentral für die Selbstkonstitution fasst und zwischen den drei Sphären soziale Nahbeziehungen/Paarbeziehungen (mit der idealtypisch zugehörigen Anerkennungsform Liebe), rechtliche Regelungen (Recht) und dem gesellschaftlichen System der Arbeitsteilung/Erwerbsarbeit (Leistung) unterscheidet.

Doch Honneths Theorie öffnet auch Anschlussfragen (vgl. Wimbauer 2005; Wimbauer/Henninger/Gottwald 2007b). Erstens bleibt sein sozialphilosophisches Anerkennungsmodell sehr abstrakt. Zwar sind nach Honneth die Inhalte der Anerkennung historisch spezifisch und dem Wandel unterworfen, doch er richtet seinen Blick nicht auf die empirisch auffindbaren, konkreten Inhalte der jeweiligen Anerkennung. So bestimmt er Liebe als emotionale und affektive Zuwendung und Anerkennung der Bedürfnisnatur des anderen, was in seinen konkreten Inhalten aber nicht ausgeführt wird, also eine Art Blackbox bleibt. Daneben sind auch soziale Wertschätzung bzw. Leistung inhaltlich wenig bestimmt und werden von Honneth (1992) abstrakt als Ergebnis sozialer und symbolischer Kämpfe gesellschaftlicher Gruppen bezeichnet.

Zweitens stellt sich die Frage nach sozialen Ungleichheiten innerhalb der institutionalisierten Anerkennungsordnung. Nancy Fraser (2003a) kritisiert, dass Honneth ökonomische Umverteilung vernachlässige und sie schlicht unter Kultur subsumiere. Ähnlich lautet auch Thomas Köhlers (2002) Kritik, nach der Honneth kultur-, symbol- und gesellschaftstheoretisch zu fassende Strukturierungen nicht in den Blick nehme; GeschlechterforscherInnen monieren darüber hinaus die Vernachlässigung der Kategorie Geschlecht (etwa Neuhäuser 1994). Über diese Kritiken kann man geteilter Meinung sein, doch liegt in der Tat Honneths Schwerpunkt nicht auf Umverteilung und sozialstrukturellen Differenzierungen, vollends nicht auf der Unterscheidung nach Geschlecht. Diese für die Diskussion um Ungleichheit relevanten Aspekte lassen sich jedoch durchaus in ein anerkennungstheoretisches Modell integrieren - und genau dies ist ein zentrales Anliegen des vorliegenden Buches.

Inhalt

InhaltVorwort 11I. Einleitung 13 1. Warum Anerkennung? 15 2. Axel Honneths Anerkennungstheorie 17 3. Fragestellung und Aufbau 22II. Anerkennung - Geschlecht - Ungleichheit 27 1. Theoretische Grundlagen 27 1.1 Axel Honneths Anerkennungstheorie 28 1.1.1 Honneths Stufenmodell von Liebe, Recht und Wertschätzung 28 1.1.2 Diskussion und weitere Annahmen Honneths 42 1.1.3 Zwischenfazit 63 1.2 Anerkennung und Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern 65 1.2.1 Das Geschlechterverhältnis als ungleiches Anerkennungsverhältnis 66 1.2.2 Geschlechtsgebundene Ungleichheiten in Paarbeziehungen 79 1.2.3 Erklärungsansätze für Geschlechterungleichheiten 88 1.3 Fazit und die Fragen des Buches - erster Teil 1022. Anerkennung im Wandel 105 2.1 Liebe und Paarbeziehungen im Wandel 105 2.1.1 Die romantische Liebe und das Familienernährermodell 106 2.1.2 Von der romantischen Liebe zum Code der Partnerschaft 110 2.2 (Erwerbs-)Arbeit im Wandel 118 2.2.1 Das männliche Normalarbeitsverhältnis 119 2.2.2 Subjektivierung, Entgrenzung und Vermarktlichung von Erwerbsarbeit 120 2.2.3 Kritik am Subjektivierungsdiskurs 126 2.2.4 Anerkennung und die Subjektivierung von Arbeit 132 2.3 Die sozialstaatlich-rechtliche "Anerkennungsordnung" im Wandel 138 2.3.1 Deutschland als konservativer und versorgender Sozialstaat 140 2.3.2 Vom versorgenden zum aktivierenden Sozialstaat 144 2.3.3 Vom Familienernährer- zum adult worker-Modell 147 3. Fazit und Forschungsfragen - zweiter Teil 159III. Empirische Untersuchung 165 1. Methodisches Vorgehen und Design 165 1.1 Methodologie: Ein hermeneutischer und "relationaler" Ansatz 165 1.2 Projektkontext, Design und Datengrundlage 168 1.3 Erhebung der Interviews 172 1.4 Auswertung der Interviews 173 2. Einführung: Erste fallübergreifende Ergebnisse 176 2.1 Hohe Egalitäts- und Berufsorientierung 176 2.2 Ungleichheiten der Arbeitsteilungsarrangements 177 2.3 Entgrenzungen und das Verhältnis der Lebensbereiche 178 2.4 Zur Auswahl der dargestellten fiktiven Fälle 179 3. Exemplarische Falldarstellungen 180 3.1 Paar Müller: Traditionalisierung nach Familiengründung I 180 3.1.1 Fallkurzdarstellung 180 3.1.2 Paarbeziehung und Beziehungskonzepte 181 3.1.3 Berufliche Situation und Bedeutung von Erwerbstätigkeit 186 3.1.4 Haus- und Betreuungsarbeit, Familie und Kind 190 3.1.5 Veränderungen nach der Geburt des Kindes 192 3.1.6 Anerkennung und Ungleichheiten 197 3.2 Paar Nau: Traditionalisierung nach Familiengründung II 204 3.2.1 Fallkurzdarstellung 204 3.2.2 Paarbeziehung und Beziehungskonzepte 204 3.2.3 Berufliche Situation und Bedeutung von Erwerbstätigkeit 207 3.2.4 Haus- und Betreuungsarbeit, Familie und Kind 212 3.2.5 Anerkennung und Ungleichheiten 215 3.3 Paar Ott: Vom Hamsterrad und der weiblichen Doppellast 219 3.3.1 Fallkurzdarstellung 219 3.3.2 Paarbeziehung und Beziehungskonzepte 220 3.3.3 Betreuungsarrangement und Hausarbeitsteilung 225 3.3.4 Berufliche Situation und Bedeutung von Erwerbstätigkeit 226 3.3.5 Anerkennung und Ungleichheiten 233 3.4 Paar Pfaff: Von der Egalität des doppelten Vollkarriere-Paares 238 3.4.1 Fallkurzdarstellung 239 3.4.2 Paarbeziehung und Beziehungskonzepte 239 3.4.3 Berufliche Situation und Bedeutung von Erwerbstätigkeit 242 3.4.4 Haus- und Betreuungsarbeitsteilung und Familie 247 3.4.5 Un-/Gleichheit und Anerkennung 251 3.5 Paar Reiter: Von Un­gleichheiten in der Paarsymbiose 259 3.5.1 Fallkurzdarstellung 259 3.5.2 Paarbeziehung und Beziehungskonzepte 260 3.5.3 Berufliche Situation und Bedeutung von Erwerbstätigkeit 263 3.5.4 Hausarbeitsteilung und Bedeutung von Familie und Freunden 273 3.5.5 Anerkennung und Ungleichheiten 275 3.6 Paar Saar: Von der Paarfusion und der Suche nach Balance 279 3.6.1 Fallkurzdarstellung 279 3.6.2 Paarbeziehung und Beziehungskonzepte 280 3.6.3 Berufliche Situation und Bedeutung von Erwerbstätigkeit 282 3.6.4 Haus- und Betreuungsarbeit, Familie und Freunde 291 3.6.5 Anerkennung und Ungleichheiten 294 4. Fazit der empirischen Untersuchung 300 4.

Schlagzeile

Wie viel Arbeit verträgt die Liebe?

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