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Wir

und was uns zu Menschen macht

Erschienen am 25.09.2010, 1. Auflage 2010
Auch erhältlich als:
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593392516
Sprache: Deutsch
Umfang: 289 S.
Format (T/L/B): 2.8 x 22.1 x 15.2 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Lange Zeit galt der Mensch als egoistisches Einzelwesen. Ein falsches Verständnis der Evolutionstheorie und jüngere Theorien wie die vom "egoistischen Gen" stützten diese Auffassung. Doch die neueste Forschung aus vielen Bereichen der Wissenschaft zeichnet ein anderes Bild. In der Entstehung des Menschen war das Leben in der Gruppe das entscheidende Element. Der Mensch wurde klug, weil er lernen musste, sich in seiner Umwelt, nämlich der anderer Menschen, zurechtzufinden. Werner Siefer stellt zum ersten Mal alle aktuellen Theorien zusammen, die zeigen, dass der Mensch ein Gemeinschaftswesen voller Mitgefühl für andere ist. Er verknüpft biologische, neurowissenschaftliche, psychologische, soziologische und philosophische Erkenntnisse zu einem neuen großen Bild vom Menschen.

Autorenportrait

InhaltsangabeInhalt 1.In der Provinz des Menschen 9 2.Zähne und Klauen blutig rot 18 3.Ein Freund, ein guter Freund 78 4.Die Intelligenz der anderen 102 5.Wir sind, also denke ich 135 6.Wie Gefühle politisch werden 184 7.Ein Lob der Fairness 226 8.Ein Wir ohne andere 268 Literatur 282 Register 285

Leseprobe

Kapitel 1 In der Provinz des Menschen Taufkirchen ist einer jener typischen Vororte von München. Die Vorgärten sind sauber und gepflegt, die Straßen gefegt und aufge-räumt. Vor den ordentlich hergerichteten Ein- und Mehrfamilien-häusern parken vielleicht etwas mehr Limousinen mit silbern glän-zenden Alufelgen als andernorts in Deutschland. Es gibt Schulen mit kultivierten Sportanlagen, heimelige Kindergärten, ein Künst-lerhaus. Auch die freundlichen Helfer von den Maltesern haben eine Niederlassung. Und in einem Grünstreifen in der Nähe des Rathauses steht ein "Partnerschaftsbaum", eine prächtige Linde, gepflanzt am 10. September 1978, wie ein kleines Schild davor verrät. Der Baum soll die Verbundenheit mit der Gemeinde Meulan in der Nähe von Paris symbolisieren, deutsch-französischer Zu-sammenhalt in Europa. Dem Rathaus gegenüber liegt der Ritter-Hilprand-Hof, ein Kul-turzentrum und Restaurant mit einem italienischen Wirt. Die Bür-ger Taufkirchens kommen gerne hierher, wenn es in großer Ge-sellschaft etwas zu feiern gibt. "Wir hatten hier schon türkische Hochzeiten, Beschneidungsfeste und Fastenbrechen", berichtet Bürgermeister Jörg Pötke voller Stolz. "Das Zusammenleben der Kulturen funktioniert bei uns." Der Ortsvorsteher weiß das bes-ser als alle anderen. Denn wenn die Festivitäten stattfinden, sitzt er gewöhnlich gegenüber in seinem Amtszimmer am Schreib-tisch und studiert Akten. Auch an den Wochenenden. Der Pfingstsonntag 2010 machte hiervon keine Ausnahme. Pötke verließ sein Büro an diesem 23. Mai gegen 18:30 Uhr, um mit dem Fahrrad den Heimweg anzutreten. Auf dem Vorplatz zwi-schen Rathaus und Ritter-Hilprand-Hof bot sich ihm ein Bild "fried-lichen Einklangs", wie er schildert. Kinder spielten, Frauen und Männer in dunkler Festtagsgarderobe schlenderten umher, unter-hielten sich oder telefonierten. In der Gaststätte feierten rund 300 Sinti und Roma eine Hochzeit. Doch der äußere Eindruck der Harmonie täuschte, wie der Bürgermeister später eingestehen musste. Als Pötke wegfuhr, bahnte sich im Ritter-Hilprand-Hof bereits eine Konfrontation an, die in einer blutigen Messerstecherei zwischen dem Personal und einigen Hochzeitsgästen enden sollte. Ein Streit um Ziegenwolle Über die Gründe gibt es verschiedene Angaben. Die einen sagen, die Auseinandersetzung habe sich an einer Beschwerde über ei-nen ungenießbaren Kaffee entzündet. Andere führen an, dass eine Bedienung beleidigt, sexuell belästigt, an den Haaren gezogen und gewürgt worden sei. Bürgermeister Pötke erreichte den Tatort erst zwei Stunden später wieder, nachdem ihn ein Telefonanruf alar-miert hatte und die Polizei mit einer Hundertschaft das Gelände bereits umstellt und abgeriegelt hatte. Einigkeit herrscht darüber, dass der italienische Wirt seiner bedrängten Mitarbeiterin zu Hilfe kam und angesichts des Streits die Gesellschaft auflösen und nach Hause schicken wollte. Daraufhin eskalierte der Disput erst recht. Man prügelte sich. Dann griffen bis zu 30 Gäste die Bediensteten teils mit Messern bewaffnet an. Bei der Attacke erlitten der Wirt und eine weitere Person lebensgefährliche Verletzungen, sodass sie mit einem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus geflogen werden muss-ten. Vier Personen wurden leicht verletzt. Die Polizei nahm fünf Menschen fest, mindestens zwei flüchteten mit blutverschmierten weißen Hemden über den Rathausplatz. "Überall war Blut, die Küche war total verwüstet", berichtete Bürgermeister Pötke später - und befürchtet, dass mit dem Gewaltausbruch mehr geplatzt sein könnte als eine pfingstliche Zigeunerhochzeit. "Die Leute", meint er, "sollen doch friedlich zusammenleben." Die Frage ist nur: Können sie das auch? Oder muss nur ein we-nig in Unordnung geraten, um der wahren Natur des gefährlichen Raubtiers namens Homo sapiens zu ihrem Auftritt zu verhelfen? "Rixantur de lana caprina", bemerkte ein Rentner anderntags süffisant, der von den Vorgängen gelesen hatte. Sie streiten sich um Ziegenwolle, eine wertlose Nichtigkeit, wie sch

Inhalt

Inhalt 1.In der Provinz des Menschen 9 2.Zähne und Klauen blutig rot 18 3.Ein Freund, ein guter Freund 78 4.Die Intelligenz der anderen 102 5.Wir sind, also denke ich 135 6.Wie Gefühle politisch werden 184 7.Ein Lob der Fairness 226 8.Ein Wir ohne andere 268 Literatur 282 Register 285

Schlagzeile

Das große neue Bild vom Menschen

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